Es muss nicht immer die Ferne sein

Ein Kurztrip für 3 Tage nach Oostkappelle mit meiner liebsten angetrauten ermöglichte mir eine weitere kurze Radtour im September 2015. Am letzten Tag des Aufenthalts machte sich meine Gattin nach dem gemeinsamen Frühstück mit unserem Auto auf den Heimweg. Ich durfte die Strecke mit meinem Rad zurückfahren, mein „Sahnehäubchenabschluss“ für diesen Kurzurlaub.
Für das Team „Auto“ ein gemütlicher 3 Stunden Trip, für mich eine 2 tägige „Erkundungstour“ mit leichtem Gepäck. Erkundungstour deshalb, weil meine Zwillinge in 2016, genau wie Ihre älteren Geschwister, mit mir eine Radtour machen möchten. Da die Twinns nächstes Jahr erst 10 Lenze zählen habe ich mir die flachen Regionen von Holland / Belgien als Reisegebiet ausgesucht welches ich nun vorab erkunde.
So ein Ausflug in heimischen Regionen, quasi mit Fallschirm, Airbag und 5 Sterne Luxus Infrastruktur, ist auch eine gute Gelegenheit neues Material ohne großartige Risiken auszuprobieren.
Ausprobiert habe ich auf diesem Ausflug folgende Ausrüstung:
• Mein Einpersonenzelt „Kyrkja „ von Tatonka
• Eine Berghaus Voltage GORE-TEX Active Jacke
• Ein Reifen Schwalbe Super Moto Version 29×2,35 (60-622)
• Deuter Leichtschlafsack
• Chia Samen als Nahrungsmittel
• Ingwer Tee statt Kaffee
Auf die getestete Ausstattung gehe ich zu einem späteren Zeitpunkt in einem gesonderten Beitrag ein.
Gestartet bin ich in Oostkapelle und machte mich über Radwege auf den Weg nach Middelburg. Ich wollte keinem bestimmten Weg folgen sondern nur, ohne GPS, eine grobe Richtung „Deutschland“ einhalten. Das war nicht sehr erfolgreich, erst bin ich in Middelburg ein wenig um den Pudding gefahren um anschließend in der falschen Richtung die Stadt zu verlassen. In Zanddijk bemerkte ich meinen Irrtum und habe mir fortan von meinem Garmin den Weg zeigen lassen. Vorbei am Flughafen midden Zeeland ging die Strecke Südlich an Goes und Nördlich an Kruiningen vorbei. Ein paar Kilometer hinter Kruiningen verließ ich die N289 in Richtung Bath. Ich folgte anschließend der Küstenlinie und überquerte die Grenze nach Belgien auf einem alten Schmugglerpfad, den „Grenzweg“ entlang des Golfclubs Reymerswael.
Anschließend durchquerte ich das Hafengebiet meiner Heimatstadt Antwerpen und radelte über Kapellen, Brasschaat und List nach Schoten wo ich zum Albert Kanal kam. Der Kanal würde für einige Kilometer mein Begleiter werden. Bei Grobbendonk waren dringend ein Aufenthalt in einer Imbissbude und ein anschließender Besuch des lokalen Supermarktes zwecks Kalorienbevorratung fällig. Nach dem Snack und dem bevorraten ging es zurück zum Albert Kanal in Richtung Germany um einen Schlafplatz zu finden. Leider musste ich von Herentals bis Meren etwas entfernt des Kanals radeln aber dafür habe ich danach sehr schnell einen schönen Schlafplatz bei Zittaart ergattert. Am Ufer gegenüber hatten sich ein paar Angler eingefunden und richteten sich offensichtlich ein um die Nacht am Wasser zu verbringen. Ich grüßte freundlich, richtete mein Nachtlager ebenfalls ein. Danach bereitete ich mir noch einen Ingwer Tee zu, bis ich diesen trinken konnte und dabei den Tag Revue passieren lies war es bereits dunkel geworden.
An diesem ersten Tag war ich 10:04:28 Stunden bei trockenem Wetter unterwegs, bin dabei 150, 64 Km gestrampelt und habe sagenhafte 101 Höhenmeter verpulvert. Als Ersatz für den fehlenden „Höhenrausch“ durfte ich tolle Radwege in Holland und Belgien befahren, spannende Schiffshebewerke an den Schleusen bestaunen und neue Gegenden in meiner Heimat Belgien entdecken.
Als Abschlussaktivität des Tages hat es wirklich etwas Beruhigendes vor der Nachtruhe mit einem Warmgetränk am Wasser zu sitzen, die Gedanken schweifen zu lassen und den vorbeifahrenden Booten zuzuschauen….
Ende Tag 1.

Als ich am nächsten Morgen aufwache liegt der Nebel in dicke Schwaden über den Kanal und erwartungsgemäß ist das Zelt von innen feucht. Ich entferne alles aus dem Zelt und lege es auf den trockenen Asphaltierten Weg. Anschließend baue ich das Zelt ab und lege es ebenfalls zum trocknen auf den Weg.
Zum Frühstück versuche ich zum ersten mal Chia Samen, ich koche sie mit Milch und füge dem fertigen Brei ein wenig Obst bei. Unerfahren in Umgang mit dem Samen unterschätze ich wie stark diese aufquellen, die zubereitete Menge hätte für 2 Radler gereicht. Somit ist es neben Ingwer Tee das einzige was ich an diesem Morgen zu mir nehme.
Mittlerweile hat die Morgensonne den Nebel vertrieben und ich kann Zelt und Schlafsack mittels regelmäßigen wenden vor dem verstauen trocknen. Das morgendliche packen auf meinen Radreisen habe ich irgendwie noch nicht optimiert, zwei Stunden benötige ich immer. Aber vielleicht ist das auch nicht wichtig auf den Reisen bereits am frühen Morgen optimierte Abläufe zu integrieren.
Als ich mich auf den weg mache sind schon die ersten Gruppen mit Rennradfahren unterwegs. Teilweise fahre ich kürzere Strecken in den Gruppen mit. Bei dem konstanten Gegenwind einerseits eine Erleichterung, andererseits fahren die Kollegen mit Ihren Carbonflummies einfach zu schnell. Ich halte mit meinem Unimog, sprich Surly ECR, mit den 25 Kg Gepäck an Bord nicht länger als 30 Minuten einen 30er Schnitt.
Da ich bei einem Surly Kollegen in Kelmis bei Aachen noch etwas abholen möchte verlasse ich bei Hasselt den Kanal und fahre über Bilzen nach Maastricht. Hasselt hat mich angenehm überrascht, es ist eine wirklich schöne Stadt, insbesondere am und auf dem Kanal gibt es wirklich nette Ecken.
Hinter Maastricht mache ich einen Bogen um Aachen bis nach Kelmis und passiere anschließend tatsächlich im Dreiländereck den höchsten Punkt von Holland. 322,5 Meter über den Meeresspiegel, wie Süß.
Allerdings war ich im Dreiländereck mit meiner digitalen Routenplanung etwas unachtsam oder schlichtweg übermütig. Auf jeden Fall hatte diese unsaubere Planung ein paar heftige Schiebepassagen in unwegsamen Gelände zur Folge. Mit bereits gute 90 Km in den Beinen ist diese Gymnastik nicht wirklich lustig. Aber auch diese Plackerei hat ein Ende und so passiere ich bei langsam einbrechender Dunkelheit Schleckheim, Breinig, und Mausbach.
Irgendwo auf diesem Abschnitt überfalle ich eine Imbissbude um mich für den Nachtritt zu stärken. Völlig Dunkel wird es in dieser Nacht jedoch nicht da wir Vollmond haben, ich kann auf der Strecke zwischen Mausbach und Gürzenich bei Düren quasi ohne Licht fahren. Zur Sicherheit habe ich eine Rückleuchte und eine vordere kleine LED Positionsleuchte eingeschaltet. Wenn sich Fahrzeuge nähern, was nachts in dieser Gegend der Eifel eher selten passiert, schalte ich frühzeitig mein Fahrtlicht dazu. Mit der „Sparbeleuchtung“ eingeschaltet kann ich fast unbemerkt und in aller Stille durch den Wald radeln und den Tieren zuhören. Es ist schon erstaunlich wie viel mehr man nachts, wenn draußen alles still ist, im Wald hört und wie aktiv die Tierwelt ist. Für mich war das ein tolles Erlebnis so im Dunkeln durch die Eifel zu radeln, meine Gattin meinte da bekämen Sie keine 10 Pferde hin… Stadtmenschen …
Als ich über Gürzenich, Düren, Nörvenich schließlich in Erftstadt ankomme habe ich 160.25 km zurückgelegt und dabei 958 Hm überwunden. Ich war 14:08:58 Stunden unterwegs und davon 9:38:42 Stunden auf meinem Fahrrad in Bewegung. Es war meine erste Radtour alleine, ich konnte fahren, anhalten und Essen wann ich wollte, auch eine neue Erfahrung für mich als „Radreisegreenhorn“. Hier der GPS Track des zweiten Tages Reise:

Und hier noch ein paar Bilder des Ausflugs:

CU Phil

7 Antworten zu „Es muss nicht immer die Ferne sein“

  1. Kay

    Schön, mein Lieber, du nährst dich der Natur! Sehr schöm geschrieben! Sehr! Bis morgen?

  2. Holgi

    Mensch Phil,

    da wird ja selbst ein Rüdiger Nehberg neidisch auf deine Draussentür-Abenteuer 🙂

    Ich find´s cool, dass du´s durchziehst. Es ist auf jeden n guter Ausgleich zum Survival-IT-Büro-Alltag.
    Und dir macht´s Spaß und so soll es ein!

    Bis neulich
    Holgi

  3. Andreas Kau

    Hi Philip, alles gute für 2016 bin schon total gespannt auf all die schönen Fotos…. Meld Dich doch mal wenn du hier bist…
    LG
    Andras

  4. Dc

    Ich würd sagen “das kann man auch schneller fahren” wenn ich es nicht besser wüsste. Machmal beneide ich dich um die dicken Reifen,damit verpasst man nix:D

  5. Uli

    Der olle Phil….sieh an, sieh an…
    Auf Walcheren habe ich eine Hälfte meiner Jugend verbracht….

    Solltet du mal 1000km nach Toulouse schaffen, wir haben ein Gästezimmer…..
    Vom Stilen

  6. Sarah

    Also mit dem Fahrrad zu reisen hört sich echt wirklich sehr spannend anUnd Kurzstrecken wären ja mal eine Überlegung wert
    Hier in Australien haben wir auch eine Asiatin kennengelernt die mit dem Fahrrad von Sydney nach Melbourne gefahren ist

    Wirklich sehr lustiger und interessanter Blog☺️
    Lg Sarah

    1. Hallo Sarah,

      na Ihr beiden macht es wenigstens richtig, einfach so ma eben Haus und Hof verkaufen, Jobs kündigen und auf Reisen gehen. Super gemacht, das nimmt euch keiner mehr. Weiterhin gute Reise und uns fleißig auf euren Blog http://www.einfachmalreisen.com/ up to date halten.
      Cu
      Philip

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  7 comments for “Es muss nicht immer die Ferne sein

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